IWS – Info ?????
KEIN Flugblatt………. und KEINE Zeitung……..
Aber trotzdem eine Informationsschrift der
Interessengemeinschaft Würzburger Straßenbahn e. V. (IWS):
Der Verein:
Die IWS ist ein parteipolitisch unabhängiger, eingetragener Verein, der es sich zum Ziel gesetzt hat, den Öffentlichen Personennahverkehr in Würzburg und seiner Umgebung zu fördern. Dabei steht das umweltfreundliche, schienengebundene elektrisch betriebene Verkehrsmittel Straßenbahn im Vordergrund. Wir verstehen uns aber auch in Ermangelung eines Benutzerbeirates als Interessenvertretung der Kunden des ÖPNV. Unsere Mitgliederschaft setzt sich aus Angehörigen aller sozialen Schichten und Altersklassen, Parteien, Geschlechter und vor allem aus Laien und Fachleuten zusammen.
Die Verfasser:
Bernd Hebenstreit : Jahrgang 1967, kaufmännische Lehre, Abitur, Wehrdienst, berufliche Tätigkeit, Studium der Betriebswirtschaftslehre
Frank Keller : Jahrgang 1966, kaufmännische Lehre, Beamter bei der Deutschen Bundespost – Telekom
Thomas W. Wenzel: Jahrgang 1964, kaufmännische Lehre, berufliche Tätigkeit, Bundesbahnbeamter, Abitur, Wehrdienst, Studium der Betriebswirtschaftslehre
Das Ziel:
Um unsere Vorstellungen und Anregungen jetzt und in Zukunft in kompakter und zielgerichteter Form weitergeben zu können, veröffentlichen wir, die IWS, die ‚IWS – INFO‘ in regelmäßigen Abständen. Wir wollen hier Stellung zu Fragen der Verkehrspolitik nehmen, die Entscheidungsträger, die Presse und den Bürger im Raum Würzburg informieren. Und wir möchten einen benutzerfreundlichen ÖPNV mitgestalten helfen. Als Hilfe für diese Arbeit haben wir unter anderem das Buch „Stadtbahn für Würzburg“ von Thomas Naumann und Christian Langenheim und das Magazin „Ortswechsel 1990“ herangezogen.
Verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes:
Günter Bräuer : Jahrgang 1938, technischer Beamter
Vereinsanschrift:
Interessengemeinschaft Würzburger Straßenbahn e. V.
Hartmannstraße 07
8700 Würzburg
Editorial
In der letzten IWS-INFO vom August 1991 hatten wir in einer kurzen Notiz einen Verkehrsverbund für den Großraum Würzburg angedacht. Wir setzten gedankliche Grenzen, die sich an bestehenden Netzen und Verbindungen, so unter anderem an DB-Strecken und den Straßenbahnlinien in Würzburg, orientierten.
In der letzten Ausgabe sprachen wir ebenfalls die dramatischen Finanzierungslücken beim ÖPNV und mögliche Verbesserungen an. Doch dann überrollten uns die Ereignisse! Zum einen die Finanznot der Stadt Würzburg, zu anderen das Steueränderungsgesetz 1992. Deshalb entschieden wir, die vorliegende Ausgabe ‚April 1992’dem Thema
Finanzen und Verbund
zu widmen. Bei allen unseren Überlegungen haben wir funktionierende Beispiele aus anderen Städten und Regionen herangezogen, um darzulegen, was mit Erfolg parktizierbar ist.
Und noch eines sollte deutlich gesagt werden:
Wir sind Befürworter des ÖPNV. Aber wir kennen seine Grenzen und wissen, daß er auf manchem Gebiet das Auto nicht ersetzen kann. Wir zeigen aber, wo es überall geht!
Einleitende Gedanken
Wer in Unterfranken oder auch nur im Raum Würzburg den ÖPNV betrachtet, erfährt ein sehr zwiespältiges Bild. Auf der einen Seite den Erfolg der neuen Straßenbahnlinie 5, deren Fahrgastzuwachsraten so stark sind, daß die Würzburger Straßenbahn GmbH gezwungen ist, in der Rushhour einen Sechs-Minuten-Takt anzubieten, wobei die Fahrgäste wegen immer noch überlasteter Fahrzeuge stöhnen. Auf der anderen Seite die Schwierigkeit, in den Abendstunden nach Kitzingen oder auch nur nach Güntersleben zu gelangen. Hier sei außerdem die Bemerkung erlaubt, daß der Reisewillige auf der Fahrt von Würzburg nach Kitzingen immer noch zwei Fahrausweise benötigt.
Betrachtet man nun die finanzielle Situation der Verkehrsträger, tun sich ganz andere Abgründe auf. Die WSB benötigt zum Beispiel dringend die überfälligen 17 Mio DM, die sich die Stadt Würzburg für die Finanzierung der ehemals neuen Straßenbahnzüge zu zahlen verpflichtete. Zusätzlich werden Gelder benötigt, um weitere dringende Ausbau- und Beschleunigungsmaßnahmen auch durchführen zu können und den Erwerb weiterer Fahrzeuge zu ermöglichen.
Interessant ist außerdem, daß im Jahre 1990 die Gewinn- und Verlustrechnung der APG ein Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit in Höhe von DM – 87.166,44 zu verzeichnen hatte, die der WSB dagegen in Höhe von DM ca. 25 Mio. Dabei erbringt die WSB einen großen Teil der Betriebsleistungen und die APG ist lediglich eine „Bürogesellschaft“, deren Aufgabe unter anderem die Verteilung der Fahrgeldeinnahmen ist.
Im Raum Würzburg stehen größere Projekte zum Ausbau des ÖPNV an, wie der Bau der Linie 7 nach Höchberg, der Bau der Linie 6 zur Uni und nach Gerbrunn und der Bau der Linie 01/05 nach Versbach und Lengfeld. Zudem steht wahrscheinlich die Privatisierung des Nahverkehrs bei der Deutschen Bundesbahn vor der Tür. Und jedesmal kommt die bange Frage:
Wer bezahlt das alles? …
Maßnahmen zur Verbesserung des ÖPNV
Um die Situation des ÖPNV zu verbessern, sind zunächst Sofortmaßnahmen nötig, die den Grundstein für langfristige Lösungen bilden. Bei einer dieser Sofortmaßnahmen, die mehr Geld in die Kasse bringen sollen, war uns die WSB in ihren Überlegungen zur Abwechslung einmal voraus und stellte das Jobticket der Öffentlichkeit vor. Doch bis das tatsächlich eingeführt wird, fließt noch viel Wasser den Main herunter, wogegen diese Variante in anderen Städten bereits genutzt wird. Auf der Suche nach weiteren Hilfsmaßnahmen, die in Würzburg kurzfristig parktizierbar wären, lasen wir in der Zeitschrift „Ortswechsel 1990“ etwas über die ‚Bremer Karte‘.
In Bremen wurde eine Variokarte entworfen, deren Preis sich weitaus günstiger gestaltete als der einer normalen Monatskarte und jederzeit selbst der Benzinkostenrechnung standhält. Gleichzeitig erhöhten die Verkehrsbetriebe zur Unterstützung die allgemeinen Fahrpreise, strichen einige Angebote, wie eine Senioren-Karte, ließen die Marketingabteilung innovativ arbeiten und erhielten ein Produkt, das großen Anklang bei den Bremern fand.
Mit der ‚Bremer Karte‘ schuf man außerdem eine beispielhafte Indentifikationsreihe:
Bremer Karte – Bremen – Bremer Straßenbahn AG.
Dagegen wurde durch die tarifliche Gestaltung der Würzburger Variokarte deren gute Absatzchancen, die sie in sich barg, gleich im Keim erstickt. Der Erfolg der ‚Bremer Karte‘ sollte den Marketing-Experten in Würzburg zu denken geben!
Apropos Marketing: In Würzburg antwortet man auf unsere Aufforderung nach besserer Werbung, vor allem im Zusammenhang mit den Probefahrten der Linie 24 (Ach, davon wußten Sie noch nichts?), lakonisch:
„Wir finden, daß die Bevölkerung hinreichend über diese Neuerung informiert wurde …“
Entgegen dieser Meinung der WSB zu unserer Anregung, müssen heute die Verkehrsbetriebe eine andere Marketing-Strategie fahren. Die Beförderungsleistung dieser Unternehmen ist ein hochwertiges Produkt. Und dafür fehlt in Würzburg ein schlüssiges Marketing- Gesamtkonzept!
Zuguterletzt sehen wir folgende politische Maßnahmen als relativ schnell durchführbar an:
Momentan sitzen zum Beispiel im Aufsichtsrat der WSB nur Stadträte. Gleichzeitig gibt es aber keinen Benutzerbeirat, wie wir ihn immer wieder gefordert haben. Deshalb schlagen wir vor, daß die Hälfte der Aufsichtsratssitze nicht mehr mit Stadträten besetzt werden, sondern mit Kunden der WSB, die aus eigener Erfahrung wissen, was für sie attraktiv ist.
Monats- und Jahreskartennutzer sind hier die geeignete Zielgruppe. Noch einmal zur Verdeutlichung: Es sind damit keine ‚Namen‘ oder ‚Honoratioren‘ gemeint, sondern tatsächliche Nutzer des Angebotes der WSB.
Das, was wir bisher beschrieben haben, sind Mängel, die leicht abgestellt werden können, wenn der Wille dazu da ist. Deshalb bedarf es eigentlich vor jeder auch noch so geringen Verbesserung der öffentlichen, dauerhaften politischen Entscheidung für den ÖPNV.
Außerdem müssen sich die Politiker über Kosten und Nutzen, sowie die Grenzen des ÖPNV im klaren sein. Es ist illusorisch zu erwarten, daß die Verkehrsbetriebe nach kaufmännischen Grundsätzen betrachtet kostendeckend arbeiten können. Doch wenn die Befürworter des Individuaiverkehrs immer wieder auf die Kfz- und Mineralölsteuer verweisen, mit deren Hilfe Wege für des Auto gebaut werden, kann es sich ein Vertreter des ÖPNV leicht machen. Denn die Kosten, die der ÖPNV erfordert, sind lächerlich im Vergleich zu den Geldern, die für den Individualverkehr aufgebraucht werden und aufgebracht werden müssen.
Daß das Auto nicht nur Straßen braucht, sondern weitere sehr hohe Kosten verursacht, wird nie berücksichtigt. Hier sind zum Beispiel die Unsummen zu nennen, die durch Unfälle den Haftpflicht- und Rentenversicherern, den Krankenkassen und Arbeitgebern aufgelastet werden oder die nicht quantifizierbaren Umweltschäden .
Miteinander statt Gegen- / Nebeneinander
Bislang zeigte sich das Bild, daß die Stadt Würzburg versuchte, ein attraktives Nahverkehrsnetz anzubieten. Man arbeitete mit der APG zusammen, um auch auf dem Lande „gute“ ÖPNV- Verbindungen anzubieten.
Aber spätestens dann, als die Busse der APG vor den Toren Würzburgs an die schnellere, umweltfreundlichere, bequemere und leistungsfähigere Straßenbahn angebunden werden sollten, legte sich die APG / der Landkreis quer. Stattdessen forderten sie Busspuren parallel oder gar auf den Gleisen der Straßenbahn in Würzburg.
Statt nun zwei Verkehrssysteme, Bus und Schiene, kostenträchtig parallel zu betreiben, muß eine konsequente Definition der Aufgabenbereiche auch in Würzburg umgesetzt werden. Und anstatt zwei Verkehrsunternehmen mit doppelten Verwaltungskosten und doppelten Entscheidungswegen zu unterhalten, sollte hier endlich ein Schlußstrich gezogen und ein Miteinander geschaffen werden.
Der Würzburger OB Weber sagte auf einer Veranstaltung in Veitshöchheim, daß diejenigen, die eine bessere Anbindung an den ÖPNV forderten, auch dafür bezahlen müßten. Als die Stadt Würzburg nun eine solche Verbesserung im Zuge der Entlastung der Innenstadt vom Autoverkehr erreichen wollte, wie durch den Bau der Linie 7, verweigerte der Landkreis seine finanzielle Unterstützung. Auch hier muß ein neuer Weg gefunden werden!
Und der könnte so aussehen:
Es findet im Raum Unterfranken eine Fusion von APG und WSB statt. Später werden auch die Schweinfurter Verkehrsbetriebe sowie die regionalen Teile der OVF übernommen, um eine organisatorische Einheit zu schaffen. Berücksichtigt man eine wahrscheinlich anstehende Regionalisierung des DB-Schienen-Nahverkehrs, ist hier gleich die verwaltungstechnische Infrastruktur geschaffen.
Geographisch läßt sich der entstehende Verkehrsraum wie folgt eingrenzen:
Ausgehend vom bestehenden Schienennetz haben wir eine erste Stufe angedacht, in der von Gemünden, Schweinfurt, Kitzingen, Martbreit und Lauda aus der Verkehr auf Würzburg zuläuft und innerhalb Würzburgs über das Straßenbahnnetz der WSB mit den zukünftigen Ausbaustufen Höchberg und Gerbrunn weiterverteilt wird.
Natürlich muß dieses Kernnetz auf ganz Unterfranken ausgedehnt werden. Allerdings sind wir der Meinung, daß der Aschaffenburger Raum wohl eher dem Einzugsbereich von Frankfurt zuzurechnen ist.
Warum denken wir so über den Nahverkehr in Unterfranken?
Es kann in der Verkehrsprobiematik nicht mehr jeder nur bis zu seinem Gartenzaun denken. Ortsdurchfahrten gelten ab einem Durchfluß von 10.000 Fahrzeugen pro Tag als überlastet. Doch der Würzburger Bürger soll an chronisch überlasteten Einfallstraßen mit bis zu 25.000 Fahrzeugen pro Tag leben! Diese Stauungen verschlingen unnötig Geld und Zeit und belasten unsere Umwelt durch Schadstoffe.
Um nun in Zukunft noch mobil sein zu können, ist es notwendig auszusteigen. Doch ein Umsteigen ist nur möglich, wenn der ÖPNV wesentlich attraktiver und leistungsfähiger wird. Und dies kann nur ein regionaler Verbund unter einheitlicher Führung leisten.
Die Vorteile, die nun ein Verbund bietet, der von einer kommunalen Gesellschaft organisiert wird, sind manigfaltig. Er stellt in erster Linie sicher, daß auch auf den weniger ertragreichen Strecken ein gewisses Fahrtenangebot aufrecht erhalten wird. Er erfüllt somit eine soziale Funktion, für die die angeschlossenen Kommunen die anfallenden Kosten übernehmen.
Da durch den Ausbau des Straßenbahnnetzes, unter anderem in Richtung Höchberg, nicht nur Würzburg entlastet wird, sondern auch der westliche Landkreis besser erschlossen wird, profitieren beide: Landkreis und Stadt Würzburg.
Dies muß sich dann auch in der Finanzierung solcher Ausbauvorhaben niederschlagen. Durch die Kapitalanteile an der Gesellschaft könnte ein Schlüssel für die Aufteilung der Kosten an die einzelnen Träger erstellt werden.
Dies ist aber nur eine Variante. Andere bieten unter anderem das „Karlsruher Modell“ oder die Ausgestaltung des Rhein-Main-Verbundes. Ein weiterer gewichtiger Vorteil, den wir in einer Fusion der Öffentlichen Verkehrsbetriebe sehen, liegt im Kosten- und Verwaltungsbereich.
Zuerst läßt sich in der Verwaltung Personal einsparen. Desweiteren lassen sich durch Großeinkauf bessere Konditionen erzielen und vor allem Werkstattkosten senken. Die Aufsichtsräte lassen sich in ihrer Zahl verkleinern, ohne daß der neue Aufsichtsrat ausufern darf. Die Besetzung sollte hier zur Hälfte aus Nutzern und zur Hälfte aus den Vertretern der kreisfreie Städte und der Landkreise bestehen.
Daraus resultiert dann das wichtigste Argument. Die Entscheidungswege werden kürzer! Mußten bislang bei einer gemeinsamen Maßnahme der APG und WSB beide Aufsichtsräte zustimmen, würde dann ein Aufsichtsrat genügen, in den durch die entsandten Vertreter der Kommunen gleichzeitig die Meinungen ebendieser einfließen.
Man kann unseren Überlegungen gesetzliche Grenzen entgegenhalten. Vor allem da auch Lauda (Baden-Württemberg!) ein Endpunkt sein soll. Aber da sowieso neue Regelungen im Rahmen einer Regionalisierung des DB-Schienen-Personennahverkehrs gefunden werden müssen, kann man gleichzeitig für solche Vorhaben die rechtlichen Voraussetzungen schaffen. Hierbei könnte sich vielleicht unser Regierungspräsident Dr. Vogt als Fürsprecher gewinnen lassen.
Abschließend wollen wir unserer Hoffnung Ausdruck verleihen, daß diese Lösungsvorschläge, die in anderen Städten und Regionen bereits praktiziert werden, auch in Würzburg auf fruchtbaren Boden fallen. Die Zeit ist reif !!!